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Abwärts, bis die Kufen rauchen

Sie heißen „Die lustigen Hühner“, „Die Z’saumgwürflt’n“, „D’Horachigen“, „Sunseit’n-Almblitz“, „3 G’schlagelten von der Sunseit’n“ oder „Rotz’nkummada“ und bringen es auf ein beachtliches Tempo. Beim Kindberger Ziachschlittenrennen zählen für die Teams vi

Im Mürztal war der Ziachschlitten (Ziehschlitten; in anderen Alpenregionen auch Hornschlitten, Heuschlitten, Ganzschlitten oder Halbschlitten genannt) bis in die 1950er Jahre ein wichtiges Transportmittel der Bauern und Waldarbeiter. Mit dem Ziachschlitten brachte man im Winter das Bergheu zu Tal, und von den Forstarbeitern wurde er zur Bringung von Baumstämmen im steilen Gelände eingesetzt.

Die Holzbringung erfolgte über Jahrhunderte unter sehr schwierigen Bedingungen durch den Menschen mit Hilfe von Pferden, Ochsen oder einfachen Mitteln wie Ziachschlitten, Ketten und Seilen. Transporte mit dem Ziachschlitten waren für die Lenker eine harte und gefährliche Arbeit, da immer die Gefahr bestand — vor allem auf steileren Streckenabschnitten —, von der schweren Last überfahren oder erdrückt zu werden.

Der Ziachschlitten hat auch im Mürztal eine lange Tradition. In früheren Zeiten wurde er nur als Transportmittel eingesetzt, dessen Handhabung in allen Phasen anstrengend war. Für den Transport auf den Berg wurden die Schlitten getragen oder durch den Tiefschnee mühsam bergwärts gezogen, auch talwärts mussten sie zum Teil gezogen werden.

Die Schlitten, die zum Holztransport eingesetzt wurden, waren wesentlich massiver und schwerer als die zum Heuholen, weshalb sie meist geschoben wurden. Später wurden Rinder oder Pferde vorgespannt. Es gab Schlitten, die nur für eine Bringung von 1 bis 1,5 Festmeter geeignet waren. Mit den größeren und schwereren Schlitten — meist als Doppelschlitten geführt — wurden bis zu 4 Festmeter ins Tal gebracht.

Heute wird die Holzbringung natürlich mittels Traktoren und speziellen Transportmaschinen bis hin zu Seilvorrichtungen durchgeführt. Das alte bäuerliche Arbeitsgerät ist im Lauf der Zeit verstaubt und in einen „Dornröschenschlaf“ gefallen.

Der Schlittenbau — eine aussterbende Tradition
Heute versteht sich noch kaum jemand darauf, was früher jeder Bergbauer oder Holzknecht können musste: einen stabilen Ziachschlitten zu bauen. Einer, der sich diese Handwerkskunst selbst angeeignet hat, ist der Krieglacher Andreas Dunst. Als Muster dienten ihm alte, bereits modrige Modelle, die bei Mürztaler Bergbauern „ausgegraben“ wurden.

Die wichtigste Zutat für einen guten Schlitten ist Sorgfalt. Sonst kann es vorkommen, dass der Schlitten beim Fahren bremst, nicht in der Spur bleibt oder gar aus den Fugen gerät.

Die Form für das Kranzholz, den geschwungenen Teil der Kufen also, an denen sich der Fahrer festhält, muss die Natur liefern. Das geeignete Holz findet man am ehesten entlang von Waldsäumen oder an steilen Böschungen: einen jungen Baum, der durch Schneedruck einmal verbogen wurde, sich aber im Lauf der Jahre wieder senkrecht aufgerichtet hat. Ein solcher Stamm ist die Grundvoraussetzung für einen stabilen Ziachschlitten, aus ihm werden die Kufen zurechtgeschnitten.

Vor der Bearbeitung sollte das Holz zwei bis drei Jahre trocknen, damit sich der Schlitten später nicht verzieht und damit fast unlenkbar wird. Kranzhölzer und Kufen sind im Mürztal meist aus Ahorn oder Birke, die Beine und Querhölzer aus Esche, die Schlittenstangen aus Haselholz.

Die größte Kunst im Schlittenbau ist das Zusammenfügen von Kranzhölzern und Kufen, denn dort wirken bei der Fahrt ins Tal die stärksten Kräfte. Die Verbindungen werden weder geschraubt noch genagelt, sondern in mühevoller Handarbeit eingezapft und mit Holzdübeln gesichert. Durch diese Verarbeitung bleibt der Schlitten stabil und trotzdem für den Steuervorgang gelenkig. Beiderseits an den Kufen werden Sperrtatzen montiert, die zum Lenken und Bremsen des Schlittens dienen.

Das erste Rennen
Das erste touristische Vergnügungsrennen mit derartigen Schlitten fand 1815 auf einer 7 km langen Strecke vom Okraj-Pass (Grenze zwischen Tschechei und Polen) bis zum Wirtshaus „Zum goldenen Stern“ in Kowary (Polen) statt. Diese Sportart fand damals ständig neue Anhänger. 1896 wurden für die Touristen bereits rund 3000 Hornschlitten und ebenso viele Zugpferde bereitgestellt. Diese Hornschlittenrennen wurden zu einer der größten touristischen Attraktionen des Riesengebirges.

Gaudi ohne Hightech
Auf Hightech müssen auch heute die Ziachschlitten-Piloten verzichten. Nur Schlitten in traditioneller Bauweise sind erlaubt. Technische Kunstgriffe wie bewegliche Kufen, Lenkhilfen am Schlitten oder an den Schuhen sind ebenso verboten wie schräg gestellte Schienen.

Das „Ziachschlitt’nrennen der Kindberger Naturfreunde“ wurde Anfang der 1990er Jahre vom Bergbauern Johann Feichtenhofer, vulgo „Zeller Hans“, und dem Naturfreunde-Mitglied Andreas Dunst ins Leben gerufen.

Von den beiden wurden die ersten fast schon in Vergessenheit geratenen und zum Teil schon vom Holzwurm befallenen Schlitten aktiviert. Sie holten die alten Geräte von den Heuböden herunter, restaurierten sie und montierten neue Sitzbretter.

Neben der Wiederbelebung dieser alten bäuerlichen Transportmittel soll mit dieser Veranstaltung der Jugend auch die früher verwendete Kleidung gezeigt werden, und den Älteren will man helfen, diese Tradition nicht ganz zu vergessen.

Zu Beginn standen nur wenige restaurierte Schlitten zur Verfügung. Von Jahr zu Jahr wurden mehr Schlitten auf die Kufen gestellt, und das Rennen erfreute sich immer mehr an Beliebtheit. 30 bis 40 Dreierteams nehmen nun jährlich an diesem Brauchtums- und Gaudirennen teil. Dabei zählt nicht die beste Zeit, sondern es gewinnt jener Schlitten, der nach zwei Durchgängen der Mittelzeit aller Schlitten je Klasse am nächsten kommt. Das nächste Ziachschlitt’nrennen der Naturfreunde Kindberg wird am 2. März 2008 — Start beim Bergbauernhof Zeller im Kindtalgraben — stattfinden.

Text von Walter Fertig, Referent für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der Naturfreunde Kindberg und stellvertretender Landesvorsitzender der steirischen Naturfreunde, und Heinz Luneschnik, Rodelreferent der Naturfreunde Kindberg und Landesreferent Rodeln der steirischen Naturfreunde

Für die historischen Fotos ein Danke an das Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), http://bfw.ac.at und www.waldwissen.net, sowie an Anton Gruber  

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